Die vorliegende Studie „Genealogie apophatischen Denkens von der Antike bis heute“ versteht sich als komplementärer Supplementband zu Otts bahnbrechender Monographie Schattenontologie. Während Otts Werk eine moderne apophatische Metaphysik entwickelt, die sich explizit auf epistemische Schattenräume und die „Exosion“ als Konzept der Unverfügbarkeit stützt, verfolgt dieser Band den ambitionierten Anspruch, die historischen Wurzeln, Entwicklungslinien und methodischen Dimensionen des apophatischen Denkens umfassend zu rekonstruieren.
Apophatik – das Denken in und durch Negation, in der Abwesenheit, im Verbergenden – ist eine der tiefgründigsten und zugleich schwer fassbaren Strömungen in der Philosophiegeschichte. Ihre Ursprünge reichen zurück bis in die vorsokratische Antike, wo erste Reflexionen über das Nichts, das Unaussprechliche und das Grenzenlose formuliert wurden. Über die metaphysischen Höhen Plotins, die theologischen Konzepte der Kirchenväter und die mystischen Erfahrungen des Mittelalters spannt sich der Bogen bis in die Philosophie der Neuzeit und die postmodernen Diskurse. In diesem langen und komplexen Prozess hat sich eine eigenständige Form des Denkens herausgebildet, die immer wieder die Grenzen von Sprache, Erkenntnis und Sein thematisiert.
Das Anliegen dieses Bands ist es, diesen historischen Verlauf systematisch nachzuzeichnen, um so einen fundierten Rahmen für das Verständnis der apophatischen Metaphysik Otts zu schaffen. Dabei soll nicht nur die Philosophie, sondern auch die Theologie, Literaturwissenschaft und Wissenschaftsphilosophie berücksichtigt werden, um die interdisziplinären Potentiale apophatischen Denkens aufzuzeigen.
Die Herausforderungen einer solchen Genealogie sind beträchtlich. Die apophatische Tradition zeichnet sich durch ihre oftmals paradoxe und metaphorische Sprache aus, die hermeneutisch aufwendig zu erschließen ist. Zudem überschreitet sie häufig disziplinäre Grenzen und fordert eine vielschichtige methodische Reflexion – von philologischer Textkritik bis zur philosophischen Analyse.
Dieser Band richtet sich an Leserinnen und Leser aus Philosophie, Theologie und den Geisteswissenschaften, aber auch an naturwissenschaftlich Interessierte, die sich für die epistemischen und ontologischen Dimensionen des Unverfügbaren interessieren. Er will als wissenschaftliches Nachschlagewerk ebenso dienen wie als Ausgangspunkt für weiterführende Forschungen.
Mein besonderer Dank gilt den vielen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre kritischen Hinweise und anregenden Diskussionen zur Entstehung dieses Bands beigetragen haben. Möge diese Genealogie dazu beitragen, die „Exosion“ Otts im Sinne einer produktiven Negativität noch tiefer zu verstehen und in zukünftigen Debatten fruchtbar zu machen.