Der Essay untersucht zeitgenössische Philosophie als ein Spannungsfeld zwischen Affirmation und Kritik. Er geht von der These aus, dass Philosophie nie neutral ist: Sie stabilisiert Ordnungen oder sie unterbricht sie. In der Gegenwart scheint die kritische Geste jedoch erschöpft, während Formen der Affirmation – in biologischen, neoliberalen, technologischen und ontologischen Diskursen – zunehmend die Deutungshoheit gewinnen.
Das erste Hauptteil des Essays analysiert diese neuen Affirmationen: die Naturalisierung des Sozialen in Neurophilosophie und Evolutionspsychologie; die neoliberale Rationalität, die ökonomische Logik zur anthropologischen Konstante erhebt; und den techno-optimistischen Glauben an die Selbsttranszendenz des Menschen im Medium der Maschine.
Darauf folgt eine Untersuchung der „Nachbeben des Poststrukturalismus“ – des New Materialism, des Posthumanismus und des spekulativen Realismus –, die einerseits an die kritische Tradition anschließen, andererseits in neue Ontologien des Affirmativen umschlagen. Ebenso werden die „prämodernen Revivals“ (MacIntyre, Taylor, Milbank) als symptomatische Versuche gelesen, verlorene Gewissheiten durch metaphysische oder theologische Rückbindungen zu ersetzen.
Im Zentrum steht die Diagnose einer Gegenwart, in der Kritik und Affirmation ihre Opposition verlieren. Realismus, Pragmatismus und postkritische Ansätze bewegen sich in einer „Grauzone“: Sie suspendieren die normative Geste, ohne neue Maßstäbe zu gewinnen.
Das Schlusskapitel entfaltet Affirmation und Kritik als diagnostische Kategorien – nicht als moralische Haltungen, sondern als Modi der philosophischen Weltbeziehung. In einer Epoche, in der die Grenzen zwischen Natur, Technik und Sozialem zerfließen, kann Kritik nur noch als Aufmerksamkeit überleben: als Denken ohne Außen, aber mit Verantwortung.
Philosophie wird so zur Übung im Aushalten des Fraglichen – einer Form der Treue zur Welt, die nicht in Gewissheit besteht, sondern in Wachheit.