Versuch über das Gemeinwohl

Ein analytisch-apophatischer Zugang im Anschluss an Erwin Ott

Beitrag von Sieglinde B. Ohland vom 30. Juni 2025

Der Aufsatz unternimmt den Versuch, den Begriff des Gemeinwohls im Horizont einer negativen politischen Ontologie neu zu fassen. Ausgehend von der Diagnose seiner theoretischen Aporie – zwischen normativer Überfrachtung und deskriptiver Leere – wird der Gemeinwohlbegriff nicht affirmativ gerettet, sondern als uneinholbare Form im Entzug rekonstruiert. Weder kommunikativer Universalismus (Habermas) noch dekonstruktive Hegemonietheorien (Laclau) vermögen die strukturelle Undarstellbarkeit des Allgemeinen zu bewältigen, ohne es performativ zu verraten.

Die Autorin entwickelt unter Rückgriff auf apophatisches Denken, Schattenontologie und wissenschaftstheoretischen Minimalismus ein Modell des Gemeinwohls, das nicht durch seine Bestimmbarkeit, sondern durch seine Unverfügbarkeit bindet. Das Politische erscheint darin nicht als Repräsentation des Allgemeinen, sondern als formalisierte Responsivität gegenüber dem Nicht-Gegebenen. Gemeinwohl wird zum negativen Steuerungsprinzip: nicht als Ziel, sondern als Grenze politischen Denkens – eine Ethik des Verzichts im Raum des Unwissens.